Viele sind von uns gegangen. Denn, es gibt den Tod, es gibt die Toten. Wenn sie gehen, gehen sie, und doch gehen sie nicht ganz. Sie hinterlassen uns ihre Lücke, sie übergeben uns in ein Leben ohne sie, sie hinterlassen uns ihr Fehlen, ihr Nichtsein, unseren Verlust. Und in dieser Leere wird uns ihre Abwesenheit bewusster, wie es uns ihre Anwesenheit nie war; Trauer.
Ihre Abwesenheit hinterlässt uns Schmerzen, sie hinterlässt uns Trauer, die wie ein undefinierbarer Wust ist, ein Berg, ein Ozean, eine Wüste, ein Feuer, eine Ohnmacht, eine Wut, auch Verzweiflung, oft alles zusammen.
Wir Hinterbliebenen versuchen diesen Wust zu ordnen, zu teilen, zu strukturieren, zu analysieren und so jedem Gefühl Platz zu schaffen und Geleit zu geben in unserem individuellen Trauerprozess. Wir trösten uns mit Erinnerungen, lassen sie aufsteigen, oder sie kommen unerwartet, denn die Trauer lässt sich nirgends einsperren. Sie blitzt auf, wenn wir eine Strickjacke sehen, an einem Restaurant vorbeifahren, im Park spazieren gehen, Gedichte lesen, Träumen, Gedanken kreisen lassen.
Wir erinnern und denken, wir füllen die sichtbare Abwesenheit mit Erinnerungen und Andenken, erzählen uns, teilen uns Freunden oder Verwandten mit. Wir legen unsichtbare Pfade in die sichtbare Abwesenheit, wir gedenken gegen die Leere, verinnerlichen und verdichten Erzählungen, verschachteln und schichten Erinnerungen. Wir bebauen die sichtbare Abwesenheit mit ihren Geschichten.
Viele sind von uns gegangen. Und doch sind sie bei uns, in unseren Geschichten.
Vorgetragen am 24.11. in der Kreuzkirche Preungesheim, Frankfurt