Pupuze Berber

Amasra

 

Beim Spaziergehen in Amasra, Fotos: Murat Bilgen
Unser Frühstück fand an einer Flussmündung statt. Eine idyllische Landschaft, grün, etwas dunkel und leicht metallisch in der Morgensonne wirkend. Der Fluss, ein ins Blau gehendes Grün, floss ruhig. Das Restaurant direkt über dem Wasser gebaut, zumindest zum Teil. Es war um neun Uhr morgens bereits so heiß, dass wir die Schattenplätze auf der Innenseite der großen Veranda einnehmen mussten, anstatt mit direkter Sicht auf den Fluss. Es gab „Serpme Kahvaltı“, ein typisch türkisches Frühstück. „Serpme“ heißt „hingeworfen“, „verteilt“ oder „ausgebreitet“ und meint die verschiedenen Sachen, die zum Essen auf dem Tisch verteilt sind. Das waren bei unserem Frühstück zwei verschiedene Sorten Oliven, drei unterschiedliche Varianten an Käse, Butter, Süßrahm, Honig, Marmelade, klein geschnittene Gurken und Tomaten, in Butter gebratene Scheiben „Sucuk“ (Knoblauchwurst), Omelett und gebratene Kartoffeln. Dazu Toast und Weißbrot. Jeder Tisch bekam eine Kanne türkischen Tee und Wasser, für die Kinder gab es Kakao.
 
Für eine wie mich, die überhaupt nicht gerne frühstückt, die – wenn es sein muss – eine Scheibe Toast mit Marmelade mehr als ausreichend empfindet, war das eine Herausforderung: was esse ich, wie und in welcher Reihenfolge. Es waren viele kleine Tellerchen, die wie aus dem Puppenhaus geholt worden zu sein schienen. Man isst von allem etwas. So wird das Brot nicht in Scheiben geschnitten und beschmiert wie in Deutschland, was bei diesem türkischen Weißbrot auch unmöglich wäre. Es gibt dicke Scheiben, die in Mundportionen gezupft und mit den Sachen von den Tellern zusammen gegessen werden. Man kann diesen Happen vorher belegen oder nacheinander aufessen, ich meine erst das Brot und dann den Käse hinterher. Und so mancher Deutschtürke hatte sich nach seiner Rückkehr in die Türkei nach dem deutschen Brot gesehnt, das in Scheiben schneidbar ist. Es gibt inzwischen bei den meisten Bäckereien auch ein Vollkornbrot, das aber höchstens dem Namen nach dem Deutschen gleicht. Brot wird hier frisch zum Essen gekauft. Es wird stets frisch gebacken, mehrere Male am Tag. In dem Viertel, wo meine Schwestern wohnen, gibt es einen Bäcker, der dort alles zubereitet und backt. Eine Fertigteiglieferung kennt man dort noch nicht.


Auf dem Weg nach Amasra
 
Nach dem Frühstück brachen wir auf. „Wir haben noch eine Fahrt von etwa fünf Stunden“, sagte mein Schwager, der alles generalstabsmäßig geplant hatte. Das Ziel war Amasra, eine kleine Stadt, die auf einer Halbinsel und einer nahen Insel verteilt ist und die mit einer aus der Römerzeit stammenden alten Brücke verbunden sind. Mit den alten Namen Sesamos oder Amastris liegt sie, etwa 200 km von Istanbul entfernt an der Schwarzmeerküste, in der antiken Landschaft Paphlagoniens. Die Stadt ist nach einer persischen Adligen benannt, der Amastris, die angeblich von ihren beiden Söhnen wegen Herrschaftsanspruchs umgebracht wurde. Bis 1460 war Amasra unter genuesischer Herrschaft. Danach fiel sie durch die Eroberung von Sultan Mehmet II. mit der gesamten anatolischen Küste des Schwarzen Meeres zum osmanischen Reich, wonach Amasra aufblühte und wohlhabend wurde.






 

Dann kamen wir. Allerdings nicht so früh, wie mein Schwager es geplant hatte. Es war bereits Nachmittag, 16 Uhr. Unser Hotel (http://www.sardiniaotel.com/ )befand sich mitten in der Altstadt, klein aber (sehr) fein. Meine Tochter gierte nach dem Meer und war nicht mehr aufzuhalten. Es tat uns allen gut und so sind wir in der schönen Abendsonne am Stadtstrand schwimmen gegangen.

 
Es wurde langsam dunkel. Wir machten uns auf unseren Zimmern fürs Abendessen frisch. Wir gingen in ein Fischrestaurant (Mustafa Amca’nın Yeri) direkt ans Meer. (http://www.amasracanlibalik.com/) Es gab die typischen
Mezes, die kalt oder warm sein können. In einem solchen Restaurant wird nicht
individuell bestellt. Die Esskultur ist hier etwas anders. Vorspeise,
Hauptgericht und Süßes wird für die Mitte ausgewählt, wobei jeder seinen Wunsch
äußert. Aber: es wird zusammen gegessen, jeder von jedem. So bestellen wir
mehrere Vorspeisen.
Das Hauptgericht hat jedoch jeder selbst ausgewählt. Ich
hatte „Hamsi Tava“, kleine Sardellen, die in Maismehl gewendet und in der
Pfanne gebraten werden. Dieses schmeckte den Kindern so gut, die ihr Essen,
gebratener Lachs, haben liegen lassen, um meine „Hamsis“ zu verputzen. So aß
ich den Lachs, um satt zu werden. Aber das kannte ich bereits von meiner
Tochter. Sie bestellt immer das, was sie kennt. Beim Fisch ist es Lachs, beim
Eis immer Schokolade. Dann probiert sie von meiner Bestellung und will mit mir
tauschen, weil ihr meins besser schmeckt. So bestelle ich zwar immer etwas
Besonderes, esse aber dann sehr oft den Lachs.
Hier in den touristischen Gegenden, wenn auch überwiegend
inländischer Fremdenverkehr, kann man in vielen Restaurants Alkohol bestellen.
In anderen Orten hingegen gibt es wenig Restaurants mit Alkoholausschank. So
war das unser einziges Restaurant, wo wir während unserer Reise Alkohol
getrunken haben. Als hätten wir das gewusst, tranken wir noch ein Bier in der
Bar gegenüber dem Hotel, bevor wir ins Bett gingen.
Die Stadt ist klein. Erst am nächsten Morgen hatten wir die Gelegenheit, sie zu
besichtigen. Mit zwei Kindern und zwei Frauen war es für meinen Schwager nicht
einfach, seinen Zeitplan einzuhalten, den er sich in mühevoller Arbeit vorab
erstellt hatte. So standen wir spät auf, ließen uns reichlich Zeit beim
Frühstücken und mussten noch unbedingt von dem Stand vor dem Hotel Sonnenhüte
kaufen. Nun begannen wir auszusuchen, dabei fast jeden Hut aufzusetzen und
ebenfalls uns für die bunten Tücher zu interessieren, die an den Rändern schöne
Perlenstickereien hatten. Sie heißen im Volksmund „Çember“. Da stand ein
älterer Herr bei uns und stimmte sogleich ein altes türkisches Lied an
„Çemberimde Gül Oya, Gülmedim Doya Doya“. Wir stimmten mit an, sangen mit,
meine Schwester zuerst, dann ich, soweit ich das Lied kannte. Murat, der Schwager,
war hingegen fassungslos und entsetzt, wie wir später erfahren haben, denn er
wollte schnell ein paar schöne Fotos von der Burg machen, vom blauen Meer, das
drunter lag, und dann weiterfahren, um in der Zeit zu bleiben.
 
Hier das Lied zum Nachsingen aus einer alten Plattenversion, die musikalisch vielschichtiger ist als die neuen Interpretationen.
 
 
 
Aber wir Frauen wollten mit dem alten Mann erst zu Ende
singen. Später auf der kleinen Insel, die ein normaler Mensch ohne Kind an der
Hand oder auf dem Arm in 10 Minuten hätte durchwandern können, brauchten wir
eine Stunde, unter anderem weil wir Wasser kaufen und daraufhin auf die Toilette
gehen mussten und auch noch von der Frau, die ihre selbstgemachte Marmelade am
Straßenrand anbot, jede einzelne probieren und mit ihr diskutieren mussten,
um dann drei Gläser von ihr zu kaufen.


Dabei ist mir aufgefallen, dass diese Arbeiten, etwas selbst
machen und zu verkaufen, die Frauen in der Türkei besser beherrschen als die
Männer. Sie haben einen Geschäftssinn und sind sehr tüchtig. Bauersfrauen, mit
gegerbtem Gesicht und Arbeitshänden, hatten jedoch alles sehr genau und gut
vorbereitet. Sie haben fein säuberlich ihre Ware in kleinen Gläsern
aufgestellt. Daneben offene Gläser zum Probieren. Sie reichte uns kleine
Plastiklöffel, die sie nach Gebrauch wieder sammelte und von denen ich ausgehe,
dass diese am Abend für den Gebrauch am nächsten Tag gewaschen wurden. Sie hat
nichts zu verschenken und zu verschwenden ebenfalls nicht. Und so sprach sie
jeden an, der am Stand vorbeilief, während ihr fauler Mann mit seinen Freunden
etwas Abseits am Haus saß und „Tavla“ (Backgammon) spielte. Wir probierten ihre
speziellen Sorten Marmelade, die zum Teil aus Früchten, zum Teil aber auch aus
Blütenblättern gemacht waren. Es gab unter anderem Rose, Jasmin, und
Tausendgüldenkraut zum Probieren. Am interessantesten fand ich jedoch Chili-
und Milchmarmelade.