Pupuze Berber

Taşköprü und Knoblauch




































Die Provinz
Kastamonu ist berühmt für die besonders „grobe“ Betonung der Sprache; Kastamonu,
dort, wo das Ende eines Wortes oder Satzes in ein U übergeht und dort, wo die
Menschen mit Bären verglichen werden, weil es dort eben diese dichten und
unbewohnten Laubwälder gibt, wo diese Tiere leben. Zwei meiner Tanten sind mit
Männern aus Kastamonu verheiratet, nur kannte ich weder den Ort noch die
Gegend. Der Wald ist wild aber zugleich auch von einem Grün, das nie wechselt,
nicht reflektiert, nie anders wird, sehr gradlinig und konsequent ist in seinem
Farbton. Kilometerlang das gleiche, einfache Grün der Bäume, das in der Sonne
nicht heller wirkt. So ein dichter Wald, Blatt an Blatt ganze Berge entlang, wo
nichts auf den Boden fallen würde, wenn der Herrgott etwas herunterfallen
lassen sollte, waren meine Gedanken.

 
Da musste
ich unweigerlich an Heredot denken, der behauptet haben soll, ganz Anatolien
wäre so grün bebaumt, dass ein Affe, würde man ihn in Byzanz (heute Istanbul)
auf einen Baum setzen, seinen Weg von Ast zu Ast bis zum Mittelmeer machen
könnte, ohne jemals den Boden zu berühren. Viele sagen zwar, Heredot wäre jemand,
der extrem übertreibt, wenn nicht gar ein Lügner war, doch in dieser Hinsicht hatte
er vermutlich recht. Möglicherweise war das ganze Land so dicht bewaldet. Ich
hatte an einer anderen Stelle gelesen, dass die Römer ganz Anatolien abgeholzt
hätten, um Marmorblöcke besser transportieren zu können. Sie hatten diese auf
Baumstämme gelegt und darauf gerollt. Das war die erste menschlich erzeugte
Naturkatastrophe. Anscheinend waren sie hier in der Gegend nicht, oder nicht
lang, die Römer.
 
Die Hitze
draußen war unerträglich. Wenn ich es hier im Blog immer wieder erwähne, will
ich es wiedergeben, was bei uns im Auto immer so das „Top-Thema“ war: „çok
sıcak“, „sehr heiß“! Das ist der häufigste Satz, den man in der Türkei im
Sommer hört. Doch im vergangenen Sommer hörte ich es ebenfalls in Deutschland
und musste schmunzeln. Aber nun weiter mit der Reise. Es war sogar so warm,
dass der Asphalt sich aufgelöst hatte. Wir verließen den grünen Berg und kamen
auf eine Ebene. Die Autoreifen hinterließen tiefe Rillen auf dem aufgeweichten
Belag. Aussteigen unmöglich. So fuhren wir eine Weile, bis wir aus Taşköprü den
berühmten Knoblauch holten, der uns die ganze weitere Fahrt über begleiten
sollte.


 



Taşköprü hat
den Namen von einer alten Steinbrücke über einen kleinen Fluss, der vermutlich
die meiste Zeit im Jahr ausgetrocknet ist. Seit meine Schwester auf Google
gesehen hatte, dass dieses Knoblauch-Mekka sich auf unserem Weg befindet,
erzählte sie, wie sie auf dem Wochenmarkt in Istanbul diesen berühmten
Knoblauch gekauft hatte, der besonders dicke Zehen gehabt hätte. Sie beschloss
einstimmig, dass wir auf jeden Fall von dem Knoblauch kaufen sollten, ein
Mitbringsel für die große Familie. Wir fuhren dann von der Landstraße ab,
Richtung Taşköprü, auf ein bereits abgeerntetes Plateau. Im Auto diskutierten
derweil meine Schwester und ihr Mann, ob sie nun den Knoblauch vom Straßenrand nehmen
oder direkt aus der Stadt kaufen sollten. Da entschieden sie, dass wir zum Dorf
– denn es war keine Stadt, sondern ein größeres Dorf – hineinfahren. Wir fuhren
aber gerade an der alten Steinbrücke vorbei, die wir überqueren mussten, um ins
Dorfzentrum zu kommen. Eine kurze Aufregung seitens meiner Schwester, dass wir die
Ausfahrt verpasst hätten. Mein Schwager fuhr weiter, wo wir etwas mehr als
einen Kilometer entfernt die breite, neue Brücke sehen konnten, auf die dann
mein Schwager rechts abbog. Kaum waren wir auf der Brücke, warf meine Schwester
ein, warum wir nicht die alte Brücke nehmen, wenn wir schon hinfahren. Mein
Schwager machte darauf einen U-Turn, um wieder auf die Landstraße zurück zu kommen, wo
wir abgefahren waren. Da mischte ich mich ein, dass es doch unnötig sei
umzukehren, schließlich liefe die alte Brücke nicht davon, wir hätten noch die
Möglichkeit, den Rückweg über sie zu nehmen.
Mein Schwager umrundete den Kreisverkehr erneut, um wieder auf
die Brücke zu kommen und schlussendlich über sie ins kleine Städtchen zu
fahren.



Knoblauchernte, Quelle: Youtube


Infos-Link Tasköprü

 
In den
Straßen herrschte gespenstische Ruhe. Wir fanden schnell den Umschlagplatz für
den Knoblauch: eine weitläufige Fläche, vielleicht zwei Fußballfelder groß, wo
Bauern ihre Ware an Großhändler feilboten. Noch war kein Betrieb. Nur ein
Traktoranhänger stand am Straßenrand und wir fuhren zu ihm. Als wir die
Autotüren öffneten, mischte sich die Höllenhitze mit Knoblauchduft. Ohne lange
zu weilen, kauften wir von den drei Männern fünf Kilo erntefrischen Knoblauch.
„Bitte die Knollen nicht in der Tüte lassen. Sie sind frisch geerntet und müssen noch atmen. Also, alle zwei Stunden an die Luft rausstellen!“ Der Rat des alten
Bauern, der uns dann die Tüte mit dem Knoblauch mitgab.
 
Von dem
Moment an wurde der Knoblauch unser Begleiter. Um die Geschichte an jedem Ort,
den wir danach besuchten, nicht erneut erzählen zu müssen, fasse ich alle
Ereignisse mit dem Knoblauch hier zusammen. An unserem nächsten Hotel hatten
wir französische Fenster, die bis zum Boden ragten und draußen ein Geländer
hatten. So war das perfekt für den Knoblauchsack, der die Nacht nicht im Auto bleiben
konnte. Er reiste mit uns ins Hotel. Am zweiten Hotel, wo wir
nachts mit kühlem Regen ankamen, hatten wir diese Möglichkeit nicht. Auf das
Zimmer wollten wir ihn nicht mitnehmen. So baten wir den jungen Rezeptionisten
um Hilfe und er deponierte ihn in der Hotelküche. Spätestens jetzt wird sich
der Leser fragen, ob wir nichts gerochen haben. Fünf Kilo Knoblauch, dessen
Lauch noch feucht war, das riecht. Anfangs war der Geruch im Auto sehr stark.
Doch mit der Zeit verschwand er, worüber wir uns selber wunderten. Das war
allerdings ein Trugschluss, denn die ganze Familie rümpfte die Nase, als wir
nach drei Tagen und zwei Nächten in Begleitung der Knolle endlich bei uns im
Dorf ankamen. „Alles stinkt, ihr stinkt bestialisch!“, sagten sie. Wir hielten
es jedoch für sehr übertrieben. Wir selber rochen nichts. In Taşköprü haben wir
den Geruch selber sehr stark wahrgenommen. Die Luft roch danach, als wir aus
dem Auto ausstiegen. Und es stimmte nicht, dass die Zehen besonders dick waren.
Im Gegenteil, dieser Knoblauch hatte besonders kleine Zehen, dafür war er sehr
scharf und aromatisch und intensiv im Geschmack. Meine Schwester wurde
eindeutig auf dem Wochenmarkt betrogen. Immerhin hat dieser Betrug uns dieses
wundervolle Reiseerlebnis beschert.



Das Lied “yesil ördek” war eines der Lieblingslieder der Kinder. Vermutlich weil es darin eine grüne Ente geht. 

 
Nachdem wir
über die neue Brücke eingefahren waren, nahmen wir auf dem Rückweg die alte
Steinbrücke und verließen Taşköprü. Die Hitze war so unerträglich, dass die
Kinder freiwillig im Auto bleiben wollten, wenn wir anhielten, um vom Meer oder
der Gegend Fotos zu machen.