Pupuze Berber

Giresun (Κερασοῦς), die Stadt der Kirschen

Die Burg thronte auf einen Hügel oberhalb der Stadt. Historisch wenig erforscht. Keiner weiß genau von wem sie erbaut wurde. Wir gehen durch die Mauer, die recht gut erhalten ist. Drinnen eine Zisterne, die sich mit dem Regenwasser füllte. Und ein verschwenderisch schöner Bach, der künstlich angelegt war und vermutlich das überflüssige Wasser aus der Zisterne abtragen sollte. Sie ist wie aus einem Märchenfilm, fließt zwischen vermoosten Steinen, sammelt sich in Becken, um daraus den Hang fortwährend runterzulaufen, leise plätschernd. Wer das auch immer so machen ließ, der hatte Ahnung von zarter Poesie.
Ansonsten war der Ort fest in Touristenhand. Einheimische wie ausländische flanierten auf den Wegen zwischen hohen Bäumen, die das Innere des Burgs nun belebten. Kleine Spielplätze, Tische fürs mitgebrachte Essen, Teeverkäufer und sonstige Klimbim-Anbieter säumten den kleinen Platz am Ende
der Autostraße.
Wir bestellten uns eine kleine Teekanne, die mit dem Ofen gebracht wurde. So macht man das hier. Man setzt sich auf die Holzbänke und trinkt den Tee aus kleinen Gläsern. Zwei Kannen übereinander auf einem provisorischen Ofen, der unten mit Holz gefeuert wurde. Die Arglosigkeit der Türken lässt mich immer wieder bewundern, denn wir befanden uns in einem dicht bewachsenen Wald.
Aber das kannte ich auch aus dem großen Bazar in Istanbul. Da gab es Dönerbuden, mittendrin, traditionell mit Holzfeuer. Es ist schon einige Jahre her. Ich weiß nicht mehr, ob es heute den Laden gibt, die uns einfach so zum Tee eingeladen hatte, weil wir stehengeblieben und ihnen beim Anlegen des Spießes zugeschaut hatten. Erst wurde eine dicke Zwiebel aufgespießt, darauf Fleischlappen drapiert, dann eine Schicht Hammelfett, dann wieder Fleisch, links und rechts , immer wieder festgedrückt. Und einer hatte die Holzscheite im Ofen hinter dem Spieß aufgeschichtet und angezündet. Das Feuer züngelte nach allen Seiten. Der Spieß war noch nicht angebracht. Die Scheite mussten sich erst zur Glut herunterbrennen. Bis der Fleischklopps die erforderliche Größe entwickelt hatte, gab es ja genügend Zeit dafür.
Das war damals so ein unerwartetes Schauspiel, als mein Mann und ich in den Morgenstunden durch den großen Bazar marschierten und uns diese Emsigkeit des kleinen Dönerladens auffiel. Wir blieben stehen, erstaunt über alle das, was dort passierte. Wir befanden uns in einem historischen Gebäude
und da machten sie einfach Feuer.
Sie hatten uns ebenfalls bemerkt, wie wir da standen und sie anstarrten, ja vielleicht auch begafften, mit offenen Mündern, und hin und wieder deren Handfertigkeit miteinander in unsere, ihnen fremde Sprache kommentierten. Da lächelten sie uns an, baten uns näher zu kommen. Ich verstand sie, bedankte mich auf Türkisch und nahm das Angebot an. Sie boten uns
Sitzplätze an, und bestellten bei einem vorbeigehenden Tee-Jungen zwei Gläser. Denn wir waren deren Gäste. So blieben wir, plauderten und tranken unseren Tee aus. Als mein deutscher Mann den Tee bezahlen wollte, hielt ich ihn davon ab.
Das machte man nicht, ein Dankeschön genügte. Diese Gastfreundlichkeit ist in den Städten am Abnehmen, doch in den kleinen Dörfern und Orten begegnet man ihr noch des Öfteren.
Zisterne mit angelegtem Bach
Auf der Burganlage
Wir tranken unseren Tee, schlenderten über die Burganlage,
die einen herrlichen Ausblick auf die Stadt bot und machten uns anschließend
auf dem Weg um die berühmten Giresun Evleri (die typischen Häuser der Stadt) zu
finden. Die Navigation irrte sich in engen Gassen und wir beschlossen einen
Bewohner nach dem Weg zu fragen. Er kam die Straße entlang, in der einen Hand
ein Laib Brot in einer Tüte. Vermutlich hatte ihn die Frau losgeschickt, fürs
Essen frisches Brot zu besorgen. Mein Schwager fragte ihn durch das geöffnete
Fenster. Der Mann bückte sich leicht nach vorne und sagte, dass wir uns bereits
in diesem Viertel befänden. Nur, mit dem Auto wäre das nicht gut. Wir sollten
zu Fuß laufen. Viele der Häuser gäbe es leider nicht mehr. Sie mussten schon
vor Jahren weichen, aber ab und an würde man das eine oder andere doch noch
sehen. Und dann sah er uns an, zwei Frauen und zwei Kinder, sah, dass wir einen
ziemlich weiten Weg hinter uns hatten, denn entsprechend sah es im Auto aus. Da
fragte er, wohin wir so eigentlich wollten. Mein Schwager nannte unser Ziel,
die Stadt Rize. Er lachte, das sei noch eine lange Strecke. Ob wir nicht
aussteigen und mit zu ihm gehen wollten, auf einen Tee, oder eine Kleinigkeit
essen. Er selber wohnte in einem dieser alten Häuser, so hätten wir die
Möglichkeit, eins sogar von innen zu betrachten. Wir waren alle sehr gerührt,
doch mussten wir leider weiter fahren. Der Weg, sagte mein Schwager, der sei
noch lang. Und so äußerte der Fremde sein Bedauern und wir verabschiedeten uns.
Später, als wir uns diese Geschichte immer und immer wieder erzählt hatten,
fanden wir es doch schade, nicht die Zeit genommen und die Einladung angenommen
zu haben. Mir ist zudem aufgefallen, dass eine auch ernstgemeinte Herzlichkeit,
eine Einladung ein Entgegenkommen oft nicht angenommen wird. Es bleibt oft bei
einer rhetorischen Höflichkeit. Das wäre eine gute Gelegenheit gewesen, diese
Attitüde zu brechen und nicht alles dankend abzulehnen. Wir waren noch am
Anfang unserer Reise. Wer weiß, vielleicht werden wir das irgendwann doch noch
können.
“Divane asik”, eine meiner Lieblingslieder aus der Gegen, aus meiner Gegend.
Blick auf die Stadt Giresun