21. April, 2012, 10:15 Uhr. Eingang Edeka Markt. Heute habe ich die erste Vorstellung meiner Bilder in einem öffentlichen Raum, zu einem öffentlichen Publikum (wie es dazu kam ist eine andere Geschichte). Ich bin gut drauf nur etwas aufgeregt, meine Hände schwitzen. Dabei muss ich dem Spletti noch die Hand geben. Beim Eingang jedoch verblasst meine Euphorie. Der mir zugesprochene Platz zwischen Lottoannahmestelle und Bistro ist bereits belegt (ein Sektanbieter aus Deutschland). Früher Vogel fängt den Wurm, denke ich und fluche innerlich. Und ganz in der Ferne winkt mir auch Gerald von der Kasse zu. Mein erster Gast ist schon da und ich habe nicht mal einen Stand. So an Misst, aber Spletti, der Marktleiter hat immer eine Lösung, und so lande ich auf die Fläche zwischen Fischtheke und Nudeln. Da stelle ich meine Werke auf. Gerald hilft mit, den Stand aufzubauen, mit dem Gesicht zum Fisch, entgegen dem Menschen-Fluss im Supermarkt.
Bevor der erste echte Kunstliebhaber zu mir kommt, sind schon fast alle Freunde da. Noch ist alles easy, noch sind alle da, wir scherzen wie auf einer Party. Später stehe ich da alleine, meine Füße werden kalt von der Kühlgebläse der Fischtheke, den ganzen Tag auf 12 cm. Was macht man nicht für die Kunst. Aber, ich habe Glück und schon kommt eine Dame auf mich zu, eine pensionierte Studienrätin, denke ich, mit erhobenen Augenbrauen, betrachtet das Gemälde meiner Tochter und fragt. „Was haben Sie sich dabei gedacht?“. „Ehm, ja, ich, nun, wie soll ich sagen, ich meine, Sie sehen, hmm, ehemm…“, ich hatte mich auf jede mögliche Frage vorbereitet, hatte mir die gesamte Kunstgeschichte zu Recht gelegt, wollte erzählen, dass die Kunst immer ein Spiegelbild ihrer Zeit sei, bla bla,bla. Sogar auf Negatives wie, was „für ein Scheiß“ war ich vorbereitet. Nun stehe ich da und bin mit dieser Frage völlig aus der Bahn geworfen. Was hatte ich mir dabei gedacht? Nichts. Ich hatte meine Tochter portraitiert. Die Dame sah mir in die Augen, sah sich das Bild genauer an und antwortete selbst. „Sie müssen Ihre Tochter sehr lieben, auch wenn sie bockig ist und oft schmollt, und ihren dicken Kopf durchsetzten möchte, sie haben das ja sehr schön in Bild umgesetzt wie man sieht. Und dass sie Gold verwendet haben dabei, als Anlehnung an das Goldene Kalb, das Aaron den Menschen als Gottesersatz gab als die danach verlangten.“ Ich war nun ganz sprachlos, nickte mit dem Kopf, sie wird es schon wissen was ich mir dabei gedacht hatte.
Diese Unterhaltung ist allerding schon auch der Höhepunkt des Tages, qualitativ betrachtet. Sonst stehe ich da, einfach so, starre in die Menge, die von der Fischtheke mir entgegen strömt, langsam und bedächtig den Einkaufswagen schiebend, denke noch an die Unmengen von Postkarten, die ich drucken ließ als Giveaway mit meinen Kontaktdaten. Keiner kommt vorbei und will welche haben, außer Kleinkinder. Nicht gerade die Zielgruppe aber immerhin eine willkommene Abwechslung für mich.
Wie ich da stehe und nichts tue als dazustehen und nichts tun, fühle ich mich ein wenig wie Marina Abramowic: bestens platziert, sichtbar zu jedem, aber von keinem angesprochen, obwohl sie alle diesen fragenden Blick haben „was macht die da bloß?“ Zugegeben, es ist auch nur die Edeka und nicht die Moma und ich bin weniger asketisch als Marina: ich gehe auf die Toilette, stehe fast stündlich draußen vor der Tür, schnorre hier und dort eine Zigarette, nehme vom Sektmann, jedes Mal ein Glas Sekt mit, als Kompensation, für meinen eigentlichen Stand. So viel zu meiner Performance.
Und die Fakten? Bruttokontakte ca. 1.500 (0-99); Nettokontakte vier, davon ein Irrläufer (Original-Zitat „ach, Sie haben die Bilder von der Postkarte abgemalt“), und einer, der mehr an mir persönlich interessiert war als an meinen Werken; verteilte Karten 20 Aufträge 0, eine Erfahrung fürs Leben.